Das Reinheitsgebot
... wie alles begann.
„Das Reinheitsgebot ist der Höhepunkt einer sich über mehrere Jahrhunderte hinweg erstreckenden rechtlichen Entwicklung in Deutschland, bei der es den jeweiligen Obrigkeiten und Instanzen darum ging, durch entsprechende Verordnungen die Qualität des Bieres, ein Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung, zu verbessern.“
(Zitat: Deutscher Brauer-Bund e.V)
In der Tat war es ein langer Weg von Brauordnungen im Mittelalter, die von von Stadträten, Zünften oder Landesherren erlassen wurden, zur heutigen Bierverordnung (BierV).
Das erste urkundlich bekannte Braurecht wurde 974 durch Kaiser Otto II. an die Kirche zu Lüttich (heutiges Belgien) verliehen.
Am 21. Juni 1156 erhielt die Stadt Augsburg das Stadtrecht, in dessen Rechtsverordnung sich der Paragraph „Justitia Civitatis Augustensi“ befand. In diesem fand erstmals auch die Bierqualität
Erwähnung.
Eine Verordnung der Stadt Weimar aus dem Jahr 1348 besagt unter anderem, dass kein Brauer „etwas anderes als Malz und Hopfen zu seinem Bier tun soll“.
Bereits 1447 wurde vom Münchner Stadtrat verordnet, dass die Brauer der Stadt allein Gerste, Hopfen und Wasser zur Bierherstellung verwenden durften. Die selben Inhaltsstoffe, die später in der
bayrischen Landesverordnung erwähnt werden.
Am 30. November 1487 erließ Herzog Albrecht IV. eine Rechtsverordnung mit dem gleichen Inhalt zunächst für München. Später wurde sie auf Oberbayern ausgedehnt, welche neben der Festlegung der
erlaubten Zutaten auch eine Preisfestsetzung enthielt. Dieses Gesetz wird noch heute von Münchner Brauereien als „Münchner Reinheitsgebot“ bezeichnet.
Nach dem bayrisch-pfälzischen Erbfolgekrieg von 1504/05 wurden die bayerischen Teilherzogtümer wieder vereint und die unterschiedlichen bayerischen Landrechte harmonisiert.
Am 23. April 1516 wurde schließlich die neue Landesordnung durch die Bayerischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. in Ingolstadt erlassen. Die beiden Söhne von Herzhog Albrecht IV. bezogen sich
dabei auf ihren Vater. So stand unter dem Abschnitt „Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll“ nahezu der gleiche Wortlaut. Dieser ist heute als
„Bayerisches Reinheitsgebot“ bekannt.
Der originale Wortlaut
Übersetzung in heutiges Deutsch:
Item wir ordnen / setzen / und wöllen mit Rathe unnser Lanndtschaft / das füran allennthalben in dem Fürstenthumb Bayrn / auff dem Lande / auch in unnsern Stettn unn Märckthen / da deßhalb hieuor
kain sonndere ordnung ist / von Michaelis biß auff Georij / ain mass oder kopffpiers über ainen pfenning Müncher werung / unn von sant Jorgentag / biß auff Michaelis / die mass über zwen pfenning
derselben werung / und derenden der kopff ist / über drey haller / bey nachgesetzter Pene / nicht gegeben noch außgeschenckht sol werden.
Wo auch ainer nit Mertzn / sonder annder pier prawen / oder sonst haben würde / sol Er doch das / kains wegs höher / dann die maß umb ainen pfenning schencken / und verkauffen.
Wir wöllen auch sonderlichen / das füran allenthalben in unsern Stetten / Märckthen / unn auf dem Lannde / zu kainem Pier / merer stückh / dann allain Gersten / Hopfen / unn wasser /
genommen unn gepraucht sölle werdn.
Welher aber dise unsere Ordnung wissentlich überfaren unnd nie hallten wurde / dem sol von seiner gerichtzöbrigkait / dasselbig vas Pier / zuestraff unnachläßlich / so offt es geschicht /
genommen werden.
Jedoch wo ain Grüwirt von ainem Pierprewen in unnsern Stettn / Märckten / oder aufm lande / jezuezeitn ainen Emer piers / zwen oder drey / kauffen / und wider unnter den gemaynen Pawrsuolck
ausschenken würde / dem selben allain / aber sonßt nyemandes / soldyemass / oder der kopffpiers / umb ainen haller höher dann oben gesetzt ist / ze geben / unn / außzeschencken erlaubt unnd
unuerpotn.
Wir verordnen, setzen und wollen mit dem Rat unserer Landschaft, dass forthin überall im Fürstentum Bayern sowohl auf dem Lande wie auch in unseren Städten und Märkten, die keine besondere
Ordnung dafür haben, von Michaeli (29. September) bis Georgi (23. April) eine Maß (bayerische, entspricht 1,069 Liter) oder ein Kopf (halbkugelförmiges Geschirr für Flüssigkeiten – nicht ganz
eine Maß) Bier für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung, der Kopf für nicht mehr als drei Heller
(gewöhnlich ein halber Pfennig) bei Androhung unten angeführter Strafe gegeben und ausgeschenkt werden soll.
Wo aber einer nicht Märzen sondern anderes Bier brauen oder sonstwie haben würde, soll er es keineswegs höher als um einen Pfennig die Maß ausschenken und verkaufen.
Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht
werden sollen.
Wer diese unsere Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtig weggenommen werden.
Wo jedoch ein Gastwirt von einem Bierbräu in unseren Städten, Märkten oder auf dem Lande einen, zwei oder drei Eimer (enthält etwa 60 Liter) Bier kauft und wieder ausschenkt an das gemeine
Bauernvolk, soll ihm allein und sonst niemand erlaubt und unverboten sein, die Maß oder den Kopf Bier um einen Heller teurer als oben vorgeschrieben ist, zu geben und
auszuschenken.
Wie aktuell ist das Reinheitsgebot?
Macht das Reinheitsgebot heute auch noch Sinn oder ist es nur ein Überbleibsel aus vergangener Zeit?
Im Grunde wurde die Regelung „Wie das Bier im Sommer und Winter auf dem Land ausgeschenkt und gebraut werden soll“ zum Schutz der Konsumenten erlassen. Giftige und berauschende Zusätze wurden
verboten und durch eine Positivformulierung waren nur drei Zutaten erlaubt.
Der Name „Reinheitsgebot“ kam jedoch erst viel später. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Kunstbegriff geprägt und schließlich 1906 von allen Bundesstaten als Gesetz übernommen. Bereits
1952 wurde es außerhalb Bayerns wieder gelockert. Nur im Freistaat galten und gelten noch heute strengere Regeln als im Rest von Deutschland.
Doch wozu ist es heute noch gut?
Das Reinheitsgebot beschreibt nur, was ins Bier darf und nicht wie viel und in welcher Qualität. Das heißt, nur weil ein Bier nach dem Reinheitsgebot gebraut ist, muss es sich noch lange nicht um
ein gutes Bier handeln. Und ein Bier, welches z.B. mit Zutaten wie Koriandersamen und Orangenschalen hergestellt ist, noch lange nicht schlecht.
Da noch mehr Stoffe zur Schönung und zur Stabilisierung der Biere meist von Industriebrauereien benutzt werden, kann man schon lange nicht mehr von Reinheit sprechen. Doch wenn ein Craft Brewer
mit Zutaten wie Milch oder Kaffee experimentiert, kann es schon mal vorkommen, dass dieses Erzeugnis vom zuständigen Landesamt aus dem Verkehr gezogen wird.
„Die eigentliche Aufgabe des Reinheitsgebotes, den Konsumenten zu schützen, hat das deutsche Betäubungsmittelgesetz abgelöst.“
Aus diesem Grund ist die Meinung vieler Bierexperten, dass eine Revolution der Bierverordnung in Deutschland stattfinden muss: Weg vom Reinheitsgebot, hin zu einem
Natürlichkeitsgebot!
Erst wenn auch den Großbrauereien verboten wird, ihr Bier mit Zuckercouleur & Co. zu schönen und den handwerklichen Brauereien erlaubt wird z.B. auch unvermälzte Gerste zur Herstellung eines
urechten Stouts zu verwenden, erst dann kann die Bierqualität und die Biervielfalt in Deutschland wieder steigen.
2013 wurde vom Deutschen Brauer-Bund sogar versucht, das „Reinheitsgebot für Bier“ als Weltkulturerbe in die UNESCO-Liste aufnehmen zu lassen. Jedoch vergeblich. Im Februar 2015 lehnte das
Auswahlgremium den Antrag nach intensiver Prüfung mit folgenden Worten ab.
„Das Bierbrauen nach dem Reinheitsgebot wurde in der dem Komitee vorliegenden Bewerbung leider nicht überzeugend dargestellt. Hier stand die Lebensmittelvorschrift zu sehr im Vordergrund. Wir
hatten auch den Eindruck, dass die Bierproduktion inzwischen sehr industriell geprägt ist. Der Mensch als Wissensträger der Brautradition scheint zunehmend eine nachrangige Rolle zu
spielen.“
Das Reinheitsgebot ist nun 500 Jahre alt und viele halten immernoch daran fest. Für einige ist es immer noch das Qualitätsmerkmal schlechthin. Daher wird es schwer, sich etwas neuem zu öffnen.
Auch wenn es der Biervielfalt mehr als gut tun würde.